Zukunft ist kein Schicksal: Den Turbo zünden statt in die Glaskugel starren

Zukunft ist kein Schicksal: Den Turbo zünden statt in die Glaskugel starren

Zukunftsforscher Kai Gondlach rät im Transformationsimpuls der WFG Nordschwarzwald zu einem radikalen Perspektivwechsel, um krisenfest und profitabel zu bleiben.

„Vergessen Sie alles, was Sie über die Zukunft zu wissen glauben. Es gibt sie nämlich nicht – zumindest nicht in der Einzahl.“ Mit dieser provokanten These eröffnete der renommierte Zukunftsforscher Kai Gondlach beim Transformationsimpuls von TraFoNetz Nordschwarzwald einen faszinierenden Ritt durch die Welt der strategischen Vorausschau.

Auf Einladung des Transformationsnetzwerks (TraFoNetz) Nordschwarzwald, einem Projekt der regionalen Wirtschaftsförderung (WFG), das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, zeigte Gondlach den teilnehmenden Unternehmen, wie sie Turbulenzen nicht nur überstehen, sondern gestärkt daraus hervorgehen können.

Angesichts globaler Umbrüche wie Lieferkettenproblemen, Dekarbonisierung und dem Aufstieg der KI sei es essenziell, „sich der Transformation zu öffnen, um eben dauerhaft wirtschaftlich arbeiten zu können“, betonte TraFoNetz-Projektmanager Matthias Friedrich zu Beginn der Veranstaltung.

Stratege statt Prophet
Kai Gondlach, Geschäftsführer des Leipziger PROFORE Zukunftsinstituts, ist kein Wahrsager mit Glaskugel. Er ist studierter Zukunftsforscher, Autor, Podcaster und zählt mit rund 400 Keynotes seit 2016 zu Deutschlands Elite der Speaker. Sein Team berät Unternehmen an der Schnittstelle von Strategie, Innovation und Risikomanagement. „Wir arbeiten mit Methoden, messen die Vergangenheit, führen Interviews und modellieren Szenarien“, erklärte Gondlach. Dass er mit seinen Prognosen – etwa zur Pandemie ab 2020 oder zum Krieg in der Ukraine – schon mehrfach richtig lag, ist dabei weniger Magie als das Ergebnis eines trainierten „Zukunftsmuskels“.

Ein Grundgedanke von Gondlachs Ansatz ist der Plural: Wir müssen von „Zukünften“ sprechen, nicht von „der Zukunft“. Jede Person, jedes Unternehmen hat eine andere Vorstellung davon, was kommen könnte – von Utopien über technologische Revolutionen bis hin zu Krisen. Statt sich von einem vermeintlichen Schicksal leiten zu lassen, müssen Unternehmen lernen, in verschiedenen denkbaren Szenarien zu planen.

Ein häufiger Fehler sei die Planung mit dem Blick in den Rückspiegel, also basierend auf reiner Marktforschung und Vergangenheitsdaten. In den dynamischen Märkten von heute funktioniere das nicht mehr. Genauso gefährlich sei es, blind auf jeden Hype aufzuspringen, wie es der Gartner Hype Cycle verdeutlicht. Die entscheidende Frage sei nicht: „Was können wir mit dieser neuen Technologie machen?“, sondern: „Was ist unser teuerstes Problem und kann uns dieser Hype dabei helfen, das zu lösen?“.

Foresight: Das Survival-Mindset
Die Lösung liegt laut Gondlach in der „strategischen Vorausschau“, auch Foresight genannt. Dies sei die „Fusion effektiver Methoden“ und das „Fundament für ein Survival Mindset im 21. Jahrhundert“. Studien belegen den Erfolg dieses Ansatzes eindrucksvoll: Unternehmen, die Foresight strukturiert einsetzen, erreichten bis zu 33 % mehr Profitabilität und ein um 200 % höheres Marktwachstum.

Um dies zu erreichen, empfiehlt Gondlach, etwa 1 % der Arbeitszeit im Unternehmen für die Zukunftsforschung zu reservieren. Instrumente wie Horizon Scanning (den Horizont nach Signalen absuchen), Trend-Scouting und vor allem die Szenarienentwicklung helfen, sich auf verschiedene Zukünfte vorzubereiten. Anstatt sich von Schockereignissen wie einer Pandemie oder einem Krieg überraschen zu lassen, können Unternehmen so proaktiv handeln und ihre Strategien anpassen.

In der abschließenden Fragerunde wollte Jochen Protzer, Geschäftsführer der WFG Nordschwarzwald, wissen, wer denn am Ende gewinnt: Der, der sich am intensivsten oder am schnellsten mit der Zukunft beschäftigt? Gondlachs Antwort war klar: Erfolgreich ist, wer es schafft, Zukünfte systematisch und effizient zu antizipieren und diese Erkenntnisse gezielt in die Organisation einzuspeisen, um rechtzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen – oder eben auch Entwicklungsprozesse zu stoppen.

Autor: Gerd Lache