/
/
China im Turbogang: TraFoNetz Nordschwarzwald mit der Wirtschaftsministerin auf Delegationsreise

China im Turbogang: TraFoNetz Nordschwarzwald mit der Wirtschaftsministerin auf Delegationsreise

Unternehmensvertreter aus Baden-Württemberg erkunden das Land der unbegrenzten Innovationen

Peking, Guangzhou, Shenzhen – wer glaubt, China sei nur die verlängerte Werkbank der Welt, wird eines Besseren belehrt. China gibt Vollgas. Das ist das Ergebnis einer hochkarätig besetzten Delegationsreise, an der Katharina Bilaine, Projektleiterin des Transformationsnetzwerks (TraFoNetz) Nordschwarzwald teilgenommen hatte.

Unter der Führung der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) tauchte die Delegation tief ein in die Welt chinesischer Innovation, rasanter Entwicklung und einer „Einfach-Machen“-Mentalität.

Die Volksrepublik positioniert sich heutzutage als Innovationsführer und drängt mit voller Kraft auf die Weltmärkte. China sei für Baden-Württemberg als „Handelspartner von großer Bedeutung“ sagte die Wirtschaftsministerin. Es sei unerlässlich, die aktuellen Entwicklungen zu verstehen.
Die einwöchige Erkundungstour, organisiert von bw-i (Baden-Württemberg International), hatte für Katharina Bilaine ein klares Ziel: Den chinesischen Markt unter dem Blickpunkt der Transformation der Automobil- und Zulieferindustrie – insbesondere mit Fokus auf die Plattformökonomie – zu erkunden und dieses Wissen an die Unternehmen im Nordschwarzwald weiterzugeben.

„Schnell, schneller, China“, fasst die TraFoNetz-Projektleiterin die vorherrschende Dynamik zusammen. In China würden die Dinge nicht nur schnell, sondern mit einer beeindruckenden Konsequenz angegangen. Man scheue sich nicht vor Neuem und bringe Produkte auch auf den Markt, bevor sie „fertig“ sind. Die Finalisierung erfolge gemeinsam mit dem Kunden.

Absoluter Wille zum Erfolg
„Was ich von dieser Reise neben einem tiefen Verständnis für die Plattform-Thematik mitnehme, ist die beeindruckende Geschwindigkeit, die Mentalität des Einfach-Mal-Machens und der absolute Wille, erfolgreich zu sein und zu expandieren. Das zeichnet die chinesische Unternehmen aus“, erklärt Bilaine. Dieser Spirit, gepaart mit einer nationalen Subventionspolitik und einem intensiven innerchinesischen Wettbewerb, führe zu einer schieren Flut an Ideen und erfolgreichen, innovativen Unternehmen.

Ein eindrucksvolles Beispiel für diese atemberaubende Geschwindigkeit erlebte die Delegation bei Xiaomi in Peking. Das Unternehmen, in Europa vor allem als Elektronikhersteller bekannt, hat innerhalb weniger Jahre eine komplette E-Auto-Serie entwickelt, eine hochautomatisierte Fabrik aus dem Boden gestampft und bereits die ersten Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Xiaomis Modell SU7, Ende 2023 vorgestellt, beschleunigt in zwei Sekunden von 0 auf 100.

Plattform für unterschiedliche Modelle
Den Schlüssel zum Erfolg beschreibt Bilaine so: Effizienz, Schnelligkeit und die konsequente Umsetzung von Plattform-Lösungen. Xiaomi setzt demnach in der Produktion auf Hypercasting, ein Druckgussverfahren, das große Karosserieteile in einem Guss herstellt und bis zu 70 Einzelteile ersetzt. Zudem würde die eigens entwickelte Plattform „Modena“ genutzt, die unterschiedliche Modelle und Leistungskonfigurationen unterstütze und schnelle Anpassungen ermögliche. „Xiaomi drängt mit Macht auf den europäischen Markt und will bereits 2027 erste Modelle in Deutschland verkaufen“, so Bilaine.

Auch im Süden der Volksrepublik, in Guangzhou und Shenzhen, wurde die Innovationskraft greifbar. Besuche bei Unternehmen wie Xpeng Motors, WeRide und Tencent zeigten, wie China die Bereiche autonomes Fahren und Robotik revolutioniert.

Xpeng-Verkaufsstelle in Stuttgart geplant
Xpeng Motors, der 2015 gegründete Hersteller moderner Elektroautos, entwickelt eigene Chips, um unabhängiger zu werden. Und er investiert 30 Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Xpeng habe angekündigt, eine Produktion in Österreich zu eröffnen und er plane Verkaufsstellen in Stuttgart und Heidelberg. Die Kooperation mit Volkswagen bei der „China Electrical Architecture“ (CEA) unterstreiche die Relevanz für den globalen Automobilmarkt.

WeRide, der weltweit führende Spezialist für autonome Fahrlösungen (Level 2 bis Level 4) und das erste börsennotierte Robotaxi-Unternehmen, betreibt der TraFoNetz-Projektleiterin zufolge eine Flotte von mehr als 1.200 Fahrzeugen und habe bereits 40 Millionen autonome Kilometer zurückgelegt.

Deutschland als Zielmarkt im Visier
QCraft und Baidu Apollo, diese Unternehmen würden ebenfalls die Entwicklung autonomer Fahrtechnologien voran treiben. Baidu Apollo, mit seinem Robotaxi-Dienst „Apollo Go“, sei bereits in Dubai und Hongkong aktiv und nehme nun Deutschland, Frankreich und die Schweiz als Zielmärkte ins Visier, insbesondere im ländlichen Raum.

Tencent, das größte Internet-Unternehmen Chinas, bekannt für WeChat und WePay, expandiere seine Plattformen stetig und engagiert sich intensiv in den Bereichen autonomes Fahren und Robotik.
„Selbst im Bereich der Logistik sind chinesische Unternehmen Vorreiter“, sagt Bilaine: „Phoenix Wings betreibt eine regelmäßige Frachtdrohnen-Route im Großraum der Greater Bay Area um Shenzhen.

Besuch bei Sick China
Ein weiteres Highlight war für die Projektleiterin der Besuch bei Sick China, einem seit 1994 aktiven baden-württembergischen Unternehmen (Zentrale in Waldkirch bei Freiburg), das sich von der reinen Produktion hin zu mehreren Innovations- und Entwicklungszentren in China entwickelt habe und stark auf Industrielösungen, Sensorik und Automatisierung setze.

„Noch hat man in China großen Respekt vor den Leistungen deutscher Firmen, ist sich aber seiner eigenen Kompetenzen und auch Vorteile sehr wohl bewusst. Ich bin sicher, dass kein chinesisches Unternehmen zögern wird, diese zum eigenen Vorteil zu nutzen“, resümiert Katharina Bilaine.

Der „Buy Chinese“-Trend, also die Konzentration auf chinesische Produkte, mache es deutschen Komponentenherstellern zunehmend schwer, im chinesischen Markt Fuß zu fassen.

„Stillstand ist Rückschritt“
Für Bilaine ist die Botschaft aus China klar: Stillstand ist Rückschritt. Ihr Fazit für die Unternehmen in der Region Nordschwarzwald: „Die Antwort darf nicht sein, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern sich der eigenen Stärken bewusst zu sein und konsequent Innovation voranzutreiben und unsere exzellenten Forschungsergebnisse in industriellen Produkten und Prozessen umzusetzen“.

Mehr erfahren imVideo.

Autor: Gerd Lache