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Unternehmen im Nordschwarzwald kämpfen gegen den „perfekten Sturm“
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Unternehmen im Nordschwarzwald kämpfen gegen den „perfekten Sturm“

Kerstin Gatzlaff, Vorstandsmitglied Sparkasse Pforzheim Calw / Mitglied im TraFoNetz-Beirat, begrüt die Teilnehmenden der TraFoNetz-Jahresabschlußklausur im TurmQuartier der Sparkasse. (c)Foto: Gerd Lache
Prof. Dr. Bernhard Kölmel (Hochschule Pforzheim / TraFoNetz-Beiratsvorsitzender). (c)Foto: Gerd Lache
TraFoNetz Projektmanager Matthias Friedrich; TraFoNetz-Projektleiterin Katharina Bilaine. (c)Foto: Gerd Lache

Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft stellen bei Jahresabschluss-Klausur von TraFoNetz fest: Arbeit des Transformationsnetzwerks dringender denn je

„Die Hütte brennt und zwar lichterloh“ – mit dieser drastischen Warnung rüttelte Professor Dr. Bernhard Kölmel die Jahresabschluss-Klausur des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald im TurmQuartier der Sparkasse Pforzheim Calw auf. Was als Automobilkrise begann, habe sich in der Region zu einem Flächenbrand über mehrere Branchen entwickelt. Kölmels Botschaft: Das TraFoNetz muss weitermachen.

Aus der ursprünglich geplanten feierlichen Abschlussbilanz des dreijährigen Förderprojekts Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) wurde ein eindringlicher Appell. Dr. Bernhard Kölmel, Vorsitzender des Transformationsbeirats und Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Pforzheim, warnte Politik und Wirtschaft davor, die dramatische Lage der regionalen Zulieferindustrie zu verharmlosen.

WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer betonte die Unverzichtbarkeit des Netzwerks: Angesichts technologischer Umbrüche, angespanntem Arbeitsmarkt und steigender Anforderungen bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit sei ein starkes TraFoNetz wichtiger denn je. „Wenn es uns nicht schon gäbe, müsste man uns erfinden“, so Protzer. Kerstin Gatzlaff, Vorstandsmitglied der Sparkasse Pforzheim Calw und Mitglied des TraFoNetz-Beirats, pflichtete bei: „Das ist eine wichtige Initiative für die Region.“

Drei Jahre intensive Netzwerkarbeit
Projektleiterin Katharina Bilaine zog vor den TraFoNetz-Partnern – darunter Vertreter der Wirtschaft, der Hochschule Pforzheim, der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim und der AgenturQ – Bilanz über drei intensive Jahre. Statt weniger Großveranstaltungen setzte das Team auf kleinere, bedarfsnahe Formate, etwa Workshops zur Qualifizierung, zum aktiven Vertrieb oder zur Entwicklung von Zukunftsstrategien – um nur einiges zu nennen.

Die Zahlen sprechen für sich: 66 unterschiedliche hochwertige Angebote in drei Jahren entwickelt, über 160 Veranstaltungen mit mehr als 7.500 Teilnehmenden durchgeführt. Dazu kamen konkrete Produkte wie die Future Skills Studie, innerbetriebliche Weiterbildungsbausteine, ein Handbuch für ausländische Fachkräfte und Anleitungen für den Eintritt in Zukunftsmärkte wie Medizin- und Umwelttechnik sowie Luft- und Raumfahrt und Verteidigung. „All das hätte es ohne TraFoNetz nicht gegeben“, betonte Bilaine.

Als Erfolgsfaktor bezeichnete WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer die proaktive Unternehmensansprache: Das Team der Wirtschaftsförderung ging direkt in weit mehr als 300 Betriebe, unterstützte dort bei Herausforderungen und nahm zahlreiche Impulse für das Netzwerk auf.

Perfekter Sturm trifft Präzisionsindustrie
Professor Kölmel machte in seiner Rede unmissverständlich klar: Die Krise geht weit über den Übergang vom Verbrenner zum E-Auto hinaus. Die Region erlebe einen „perfekten Sturm“. Er kritisierte scharf aktuelle Studien großer Institute, die den Transformationsbegriff falsch besetzen und die Lage im Nordschwarzwald verkennen würden.

Die größte Bedrohung für die präzisionsstarke Zulieferindustrie sei die Verbreitung der „Good Enough Technology“. Elektroautos benötigen nur etwa halb so viele Teile wie Verbrenner – und diese erforderten oft keine hohe Präzision mehr, es reiche ein „gerade gut genug“. Hinzu kämen massive Exportprobleme: In China brechen die Umsätze deutscher Hersteller um rund 40 Prozent ein. US-Zölle von 15 Prozent führten teilweise zu 80-prozentigen Vertriebseinbrüchen.

Eine der aktuellen Aufgaben für das elfköpfige TraFoNetz-Team sieht Kölmel darin, zunächst die Mentalität der Führungskräfte zu verändern. Viele hätten „verlernt, eigenständig Strategien aufzubauen“, da sie jahrzehntelang lediglich Aufträge großer Hersteller erfüllten und auf günstige Produktion statt Innovation getrimmt wurden. Eine Weiterführung des Projekts sei deshalb unerlässlich, um die Unternehmen „aus der Schockstarre“ zu holen. Die erarbeiteten TraFoNetz- Angebote müssten konsequent in die Betriebe getragen werden.

Dr. Stefan Baron von der AgenturQ, einer Initiative von IG Metall Baden-Württemberg und Südwestmetall, forderte eine starke Verzahnung: „Die hochkarätigen Angebote wie Markteintritt, Kompetenzentwicklung und Fachkräftesicherung müssen zusammen gedacht werden.“

TraFoNetz als Innovationsinkubator
Einen Lösungsansatz sieht Kölmel in der Verlagerung von reiner Effizienz auf Effektivität. Das bedeute, die Unternehmen müssten von der Optimierung des Bestehenden hin zum Finden neuer Geschäftsmodelle kommen. Das TraFoNetz sieht er dabei als Innovationsinkubator, der die Innovationsträgheit in der Region bekämpfe. Trotz dieser Herausforderungen beschreibt WFG- Geschäftsführer Protzer die TraFoNetz-Akteure als entschlossen optimistisch, um „in der Region eine positive Zukunft zu gestalten“.

AUTOR: Gerd Lache

Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald
TraFoNetz unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald GmbH (WFG) ist ein Netzwerk für Transformation und Innovation, das Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen bringt. Ziel ist es, die Region Nordschwarzwald zu einem führenden Standort für innovative Unternehmen und zukunftsfähige Technologien zu machen.

Partner des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold- Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Senioren der Wirtschaft sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.

www.trafonetz.de