Mit der Automobil-Transformation eine völlig neue Firma gestalten

|Unternehmen und Region
Vor das IHK-Haus der Wirtschaft in Villingen-Schwenningen fuhren die Consultants Kathrin Stangl und Maxim Dahawan (Zweiter von rechts) mit einem Wasserstoff-Auto vor. Ihr Unternehmen effisma aus Stuttgart berät im Zuge der Automotive-Transformation auch zu Themen der Wasserstoff-Nutzung, im Web zu finden unter www.how2-h2.de Außerdem im Bild von links: Erich Martin von Werma Signaltechnik sowie die Steinbeis-Berater Ulrich Schwellinger und Joachim Effinger. Bildrechte: Gerd Lache
Vor das IHK-Haus der Wirtschaft in Villingen-Schwenningen fuhren die Consultants Kathrin Stangl und Maxim Dahawan (Zweiter von rechts) mit einem Wasserstoff-Auto vor. Ihr Unternehmen effisma aus Stuttgart berät im Zuge der Automotive-Transformation auch zu Themen der Wasserstoff-Nutzung, im Web zu finden unter www.how2-h2.de. Außerdem im Bild von links: Erich Martin von Werma Signaltechnik sowie die Steinbeis-Berater Ulrich Schwellinger und Joachim Effinger. Bildrechte: Gerd Lache

Das Problem ist offensichtlich: Die Produktion eines Autos mit herkömmlichem Benzin- oder Diesel-Motor benötigt rund 2000 unterschiedliche Komponenten. Aber für ein E-Fahrzeug werden nur noch knapp 200 Teile benötigt. Zulieferer, die ausschließlich für den Verbrenner produzieren, verlieren damit im Zuge des revolutionären Wandels hin zu alternativen Antrieben eher früher als später ihre Geschäftsgrundlage. Was also tun?

Nicht jedes Unternehmen kann so flexibel und mutig agieren wie EBM-Papst. Der baden-württembergische Weltmarktführer hat 2022 seine Strategie überraschend und radikal geändert. EBM zieht sich völlig aus dem Automotive-Geschäft zurück, das in der Vergangenheit immerhin rund 10 Prozent des Umsatzes generiert hatte.

Seine Ventilatoren liefert das mittelständische Familienunternehmen nun insbesondere an Wärmepumpenhersteller und Cloud-Anbieter. Bislang mit Erfolg: „Die Nachfrage hat sich binnen kurzer Zeit verdreifacht“, zitiert das „Handelsblatt“ CEO Klaus Geißdörfer. Der promovierte Ingenieur verweist in seiner Vita unter anderem auf leitende Funktionen bei den Automobilzulieferern Schaeffler und ZF Friedrichshafen, kennt die Branche also aus dem Effeff und kehrt ihr den Rücken.

Wie aber können vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Transformation erfolgreich bewältigen? Zum Auffinden von Lösungsansätzen finanziert das Bundeswirtschaftsministerium regionale Transformationsnetzwerke mit gelegentlich fantasievollen Kurzbezeichnungen, aber mit möglichst vielen Ideen und Impulsen in den „Werkzeugkoffern“ für die Arbeit an der Transformation.

Sie sollen die Zulieferer kostenfrei dabei unterstützen, neue Strategien zu entwickeln, ertragreiche Geschäftsfelder zu erkunden, Fördergeld-Quellen zum Sprudeln zu bringen, sich zu vernetzen und vor allem auch die Automotive-Beschäftigten auf dem Weg des Wandels qualitativ mitzunehmen. Denn ebenso überflüssig wie manche Komponenten, werden auch die Jobs zu deren Herstellung.

Ihre Standorte haben die Netzwerke an den Hotspots der Automobil-Zulieferer. Eines davon ist Automotive Transformation für den Südwesten, kurz AuToS, in Villingen-Schwenningen, angesiedelt bei der dortigen IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Ein anderes, das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald, kurz TraFoNetz, hat seinen Sitz in Pforzheim. Es wird von der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald als Konsortialführerin aktiv betreut und soll die Branche in der gesamten Region bei der Transformation konstruktiv begleiten.

Den jüngsten Gedanken-Austausch zwischen Vertretern von AuToS Netzwerk und TraFoNetz legten die beiden Partner auf einen Vortragstermin in Villingen-Schwenningen im Haus der Wirtschaft. Das Thema: „Beschleunigung des industriellen Wandels in der Branche der Automobilzulieferer.“ Für die beiden Referenten des Steinbeis-Beratungszentrums ist klar: „Die Marktverteilung wird sich drastisch ändern.“ Allerdings nicht zum Vorteil der deutschen Zulieferer, wie Joachim Effinger anhand einer Grafik zeigt.

Sein Beispiel: Der relative Anteil an Komponenten, die von Zulieferern zum Bau eines Autos beigesteuert werden, beträgt bei einem VW Golf 8 mit Verbrenner 60% Deutschland und nur 13% Asien. Diese Werte verändern sich beim Elektro-VW ID.3 auf nur noch 27% Deutschland-Anteil, aber stark gestiegenen 33% für Asien.

Und so macht Steinbeis-Berater Ulrich Schwellinger denn auch deutlich: „Der Konkurrent sitzt nicht nebenan.“ Beleg dafür: Inzwischen hat der chinesische Autobauer BYD (Build Your Dreams) den traditionsreichen VW-Konzern als Marktführer im wichtigen Absatzland China vom Thron gestoßen.

Bemerkenswert ist die vergleichsweise kurze Erfahrungszeit von BYD im Automobilbau: 1995 von dem Chemiker Wang Chuanfu als 20-Personen-Firma gegründet, war BYD fünf Jahre später Innovationsführer in China für wiederaufladbare Batterien. Und erst 2003 diversifizierte Wang Chuanfu das Unternehmen und begann mit der Entwicklung von Elektroautos, die heute mit großer Fertigungstiefe produziert werden, womit der Konzern Lieferengpässe minimiert. Von der Verbrenner-Produktion hat BYD sich schnell wieder verabschiedet.

Inzwischen arbeiten 290.000 Menschen in weltweit mehr als 30 Industrieparks und an über 40 Niederlassungen für „Build Your Dreams“ – und an der Marke des heutigen Milliardärs und Sohn eines einfachen Milchbauern vom Land kommt international keiner mehr vorbei – wenngleich seine Bekanntheit
bei weitem nicht an jene des Tesla-Chefs Elon Musk heranreicht.

Erst dieser Tage ging die Meldung durch die Medien, wonach Wang Chuanfu mit BYD-Kleinwagen auf den deutschen Markt vorfahren und zehn Prozent Anteil erzielen will – also eben jenes Segment, das die deutschen Automobilhersteller weitgehend aufgegeben haben.

Soviel zur groben Situationsbeschreibung. Wie aber sollen die regionalen Zulieferer reagieren? Laut Effinger und Schwellinger gilt es, mit dem schwindenden Bestandsgeschäft das Neugeschäft zu generieren, also zu finanzieren. Wer die Transformation bestehen wolle, müsse quasi zu „einer neuen Firma werden“. Hört sich allgemein an. Ist es auch. Denn jedes Unternehmen muss laut Schwellinger individuell beraten werden.

Wichtig, sagt er, sei das Forcieren eines funktionierenden Vertriebs. „Ein heikles Thema bei Automobilzulieferern“, denn bislang hätte sich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ein eingefahrenes System etabliert. Im Prinzip sei es um Preisverhandlungen gegangen (bei denen der
Zulieferer meist den Kürzeren gezogen und dennoch zähneknirschend zugestimmt hat). „Aber einen Vertrieb im eigentlichen Sinne gab es nicht.“

Ebenso von Bedeutung ist den Steinbeis-Beratern zufolge die Vernetzung der regionalen Zulieferer-Betriebe untereinander. Eine Aufgabe, die sich auch die Transformationsnetzwerke, wie etwa TraFoNetz Nordschwarzwald, auf die Fahnen geschrieben haben. Nur im Miteinander sehen die Beratungs- und
Unterstützungs-Akteure eine Chance, um bei dem internationalen Marktdruck noch Boden halten oder gut machen zu können.

Zu einem ersten kostenfreien Kontaktgespräch mit einem interessierten Unternehmen bringen Schwellinger und Effinger einen eigens entwickelten Transformationstest mit. Sie schlagen aus den daraus gewonnenen Ergebnissen, entstanden in einem rund zweistündigen Gespräch, entsprechende Maßnahmen vor.

Und dass eine Neuausrichtung nicht ohne Pannen über die Bühne geht und Fehler auch gemacht werden dürfen, das hob Erich Martin als dritter Referent hervor. Der Leiter Werksentwicklung und Nachhaltigkeit bei Werma Signaltechnik, einem weltweit wachsenden Unternehmen mit mehr als 390 Mitarbeitenden an acht Standorten und Headquarter in Rietheim-Weilheim, stellte unter anderem das Modell des in seinem Unternehmen eingeführten Shopfloor Management vor.

Dabei geht es um die Steuerung der Fertigungs- und Wertschöpfungsprozesse durch aktive Anwesenheit der Führungskräfte am Ort des Geschehens. Zu den Prinzipien gehört es unter anderem, im Falle von Fehlern von Schuldzuweisungen abzurücken. Das Credo beim Shopfloor Management heißt: aus Fehlern lässt sich lernen.

Bei Werma werden Martin zufolge immer wieder neue Möglichkeiten ausprobiert, die nicht alle funktionieren würden. Aber, sagt er: „Unsere Flop-Quote ist kleiner 10 Prozent.“

Erstkontakt zu TraFoNetz
Automobilzulieferer und Beschäftigte aus der Region, die sich für eine kostenfreie Unterstützung durch das Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald interessieren, können den Erstkontakt über folgende eMail-Adresse aufnehmen:
info(at)trafonetz.de

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